Wenn Pilotprojekte verhungern

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Wenn Pilotprojekte verhungern

Johannes F. Reichert - Medienzukunft gestalten - Professionelles Changemanagement und Organisationsentwicklung zu Veränderungsprozessen in Medienunternehmen
Das Medienhaus hat eine Strategie entwickelt, das Führungsteam eingeschworen, Arbeitsgruppen eingerichtet,  crossmediale Fortbildungen konzipiert. Im nächsten Schritt werden einige Ereignisse mit hohem Symbolwert identifiziert und als 'Crossmediale Pilotprojekte' definiert.

Gute Idee: Solche Projekte bieten die Chance, Erfahrungen zu sammeln, Workflows auszuprobieren, neue Rollen zu erlernen, Teams zusammen zu schweißen. Das Wichtigste aber: Sie dienen in der internen Kommunikation als  Leitsterne, als Beleg für die Machbarkeit und Sinnhaftigkeit medienübergreifender Arbeitsweisen. Erfolgreiche Pilotprojekte motivieren die Skeptiker und Zögerer unter den Mitarbeitern, sich dann doch den Herausforderungen zu stellen, dem Neuen eine Chance zu geben.

Ambitionierter Start

So werden Projektteams definiert, Projektleiter ernannt, Ziele gesetzt. Neue und aufregende Produkte sollen entstehen, journalistische Highlights.
Bis dahin läuft alles gut.
Dann erstellen die neuen Arbeitsgruppen erste Projektpläne und stellen fest, dass die ehrgeizigen Ziele mit den üblichen Bordmitteln nicht zu erreichen sind: Die Koordination kostet Zeit, es fehlt an Tools oder Vorerfahrung für die Projektorganisation. Diensthandys dürfen benötigte Apps nicht installieren, Datenwege oder gemeinsame Produktionsplattformen fehlen. Der benötigte VJ ist ausgebucht, für das erforderliche Twitter-Training ist kein Fortbildungs-Etat mehr vorhanden.

Gestrüpp

Für erfahrene Macher ist das normal: Wer Neuland betritt, muss mit Urwald oder zumindest Gestrüpp rechnen. Das kostet Zeit, Geld, Nerven. Für Führungskräfte gilt das oft nicht: "Ich dachte, wir sparen mit crossmedialen Strukturen - und ihr fordert mehr Ressourcen!"
Mit etwas Glück ist das die Gelegenheit, im Haus ein tiefer gehendes Verständnis für die spezifischen Bedingungen solcher Pilotprojekte zu etablieren. Im ungünstigen Fall wird das Projektteam mit seinen Wünschen allein gelassen.

Und wenn schließlich die erschöpften Mitarbeiter die Ergebnisse der Zusammenarbeit präsentieren, ist die Enttäuschung groß: konventionelle Produkte, wenig Inspirierendes, nichts, was am Markt bestehen kann. Nach außen hin lässt sich das mit der üblichen PR meist noch schönreden. Nach innen aber nicht. Die Reaktion im Haus: "Wenn das alles ist!? - Das also ist die neue crossmediale Welt!? Nein, danke!"

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Liebe Chefs!
1. Veränderungsprozesse kosten zunächst mehr Zeit, Geld und Mühe.
2. Ressourcen für Quick Wins und Pilotprojekte sind nicht Ausgaben, sondern Investitionen!
Danke!
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Natürlich ist es eine Ehre, für ein solches Projekt nominiert zu werden - Glückwunsch!
Mit etwas Pech könnt ihr euch damit aber auch die Karriere ruinieren.

Deshalb:  Bevor ihr freudestrahlend den Auftrag übernehmt, stellt sicher, dass die Bedingungen für ein erfolgreiches Projekt gegeben sind:

  • Ist der Auftrag klar? - Was gehört zum Projektauftrag ... und was nicht?

  • Ist die Deadline realistisch?

  • Gibt es ausreichend starke und verlässliche Promotoren in der Hierarchie?

  • Ist das Projektteam personell ausreichend bestückt? - Vom Projekthelden zum Burnout ist es nur ein kleiner Schritt

  • Wird der Kern des Projektteams von Standard-Aufgaben entlastet oder gar freigestellt?

  • Gibt es ausreichend Ressourcen, auf die ihr zugreifen könnt? - freie Mitarbeiter, Sekretariat, Technik-Support, ...

  • Sind ausreichende Fachkompetenzen im Projektteam vorhanden? - Projektorganisation, hohe journalistische Kompetenzen in allen Medien, Erfahrungen in crossmedialer Konzeption, ... ?

  • ...


Und wenn nicht?

Change it, love it or leave it!







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